When Sinners Say I Do/What Really Matters in Marriage/de
From Gospel Translations
Allerlei Theologen am Altar
Die Sonnenstrahlen leuchteten in vielen Farben durch die Kirche, als die Eingangstüren geöffnet wurden. Eine Hymne vermischte sich wunderbar mit der frischen Frühlingsluft, die auch durch die Fenster hereinströmte. Als die Angehörigen und Freunde sich erhoben, knarrte das dunkle Holz der Kirchenbänke und verbreitete dieses einzigartige Geräusch von Tradition, Würde und Höflichkeit.
Unbemerkt zitternd und mit leicht angespannter Miene die Haltung bewahrend, begann die Braut ihren „Hochzeitsmarsch“ – einen Gang, den sie zu Hause auf dem Flur schon seit zwei Jahrzehnten geübt hatte. Ihr großes Glück war nun ein schmucker junger Mann, ein Energiebündel in einem Smoking. Ein Lächeln hatte sein Gesicht ergriffen, und seine Augen tanzten förmlich vor Freude, als er seine heranschreitende Braut anschaute.
Der Pfarrer nickte zustimmend zu dem Vater der Braut, als dieser die zeremonielle Übergabe der Tochter begann und deren Hand in die Hand des Bräutigams legte. „Wenn es hier unter uns jemanden geben sollte, der einen Grund hat, warum dieser Mann und diese Frau nicht vereint werden sollten“, sagte der Pfarrer, „der spreche jetzt – oder schweige auf immer!“ Alle verharrten in höflicher Erwartung, als der Pfarrer einen Moment innehielt, um diese traditionelle Gepflogenheit danach zu Ende zu bringen. Plötzlich durchdrang die Stimme eines alten Mannes die höfliche Stille, der laut fragte:
„Woher weiß man es?“
Er stand im hinteren Bereich der Kirche, seine Hände umklammerten die Lehne der Bank vor ihm, und seine Augen schauten leidenschaftlich umher. „Ich will unter keinen Umständen respektlos erscheinen“, sagte er, während sich auch noch der letzte Kopf im Raum nach ihm umdrehte.
Ehe ist „eine Theologie des Alltags“
„Woher kann man wirklich wissen, dass diese Ehe funktionieren wird?“
Sein Ton war ernst, aber nicht herausfordernd. Sein Einwand mochte die versammelte Gesellschaft verblüfft haben, doch er war vollkommen aufrichtig. Dann, während sich seine Stimme und seine Augen senkten, kamen seine abschließenden Worte, langsam und bewusst.
„Ja, … wer überhaupt kann es wissen?“
Einige schauten den Mann verwundert an, andere warfen ihm empörte Blicke zu. Und während seine unerwartete Frage noch leise im Gewölbe widerhallte, war es, als ob die Zeit stehenblieb. Dutzende Menschen formulierten dabei unhörbar ihre Antworten, doch hörte dabei jeder Einzelne sein eigenes Denken.
Die Trauzeugin dachte: ‚Sie sind verliebt – und Liebe kann schließlich alles überwinden.‘
Ein Freund des Brautpaares gab sich diese Antwort: ‚Sie passen einfach zueinander. Das ist der Schlüssel zum Glück ihrer Ehe.‘
Auch der ehemalige Jugendpastor des Brautpaares, der die beiden und ihre Familien seit Jahren kannte, machte sich so seine Gedanken: ‚Es hängt alles an der Erziehung. Diese beiden jungen Leute werden den Weg schon miteinander schaffen, sie kommen beide aus guten Familien.‘
Auch Onkel Bob, der Wirtschaftsprüfer, rückte seine Krawatte zurecht und lächelte in sich hinein: ‚Du hast keine Ahnung, Mann, was ihre Aktien in einigen Jahren wert sein werden. Gute finanzielle Planung eliminiert den größten Stressfaktor für eine gesunde Ehe!‘
Und schließlich meinte noch ein anderer Hochzeitsgast zu sich selbst: ‚Die beiden haben so ziemlich jedes gute Buch über Ehe und Partnerschaft gelesen, das es gibt. Was sollten sie sonst noch wissen müssen, damit nichts schiefgeht?‘
An dieser Stelle unterbrach der Pfarrer die heimlichen Gedankengänge und begann mit der Rettung der Situation, indem er sagte: „Liebe Anwesende, wir haben uns heute hier versammelt, um diese Ehe Gott zu weihen. Er wird sie gelingen lassen. Wir wollen beten …“
Gute Frage, klasse Antwort
Stell dir vor, diese Geschichte wäre tatsächlich geschehen. Was denkst du, wer hat Recht gehabt? Alle? Keiner von ihnen? Welche Antwort hättest du in diesem Moment parat gehabt?
Wichtiger noch: Wie würdest du reagieren, wenn dieser alte Mann gerade jetzt auf dich zukäme und dir die Frage nach deiner Ehe stellte? Vielleicht ist deine Frage auch weniger: „Wird es klappen?“, sondern eher: „Ist meine Ehe wirklich das, was sie sein sollte?“
Wenn du jetzt weiterliest, dann bedeutet dir deine Ehe offensichtlich etwas. Denn du bist nicht allein mit der Frage zufrieden, ob deine Ehe halten oder ob sie klappen wird. Nein, die Menschen in dieser wichtigsten aller Beziehungen sehnen sich nach einer Ehe, die selbst in schwierigen Zeiten gedeiht und wächst. Deshalb möchte ich eine Antwort vorschlagen, die vielleicht kaum jemandem eingefallen ist. Es handelt sich dabei um eine Antwort, die den Grundgedanken dieses ganzen Buches reflektiert.
Lasst mich zunächst festhalten, dass alle stillen Antworten der erstaunten Gäste bei dieser erdachten Hochzeitsfeier eindeutig ihre Berechtigung haben: Liebe, zueinander passen, familiäre Herkunft, gutes Vorsorgen, gute Erziehung und ein gemeinsamer Glaube. Alles sind hilfreiche, wenn nicht gar wesentliche Bestandteile einer gedeihenden Ehe, und wahrscheinlich kannst du dir noch weitere vorstellen.
Aber es gibt eine Antwort, die hinter allen anderen steht. Und diese eine Antwort fasst im Grunde genommen alle anderen zusammen. Sie ist so umfangreich, dass wir den Rest dieses Buches dafür aufwenden müssen, sie anzuschauen. Sie mag zunächst nicht so weltbewegend erscheinen, denn sie kommt schlicht aus der Bibel. Aber nach allem, was ich in den letzten einundzwanzig Jahren im pastoralen Dienst gelernt habe, kann ich dir versichern, dass diese Antwort deine Welt erschüttern wird.
Hier ist sie: Was wir über Gott glauben, bestimmt die Qualität unserer Ehe!
Jetzt bitte das Buch nicht zumachen
Ich möchte das kurz erläutern. Jeder betrachtet das Leben aus einer bestimmten Perspektive, was manche eine Weltanschauung nennen. Unsere Weltanschauung wird durch viele Dinge geprägt und bestimmt: unsere Kultur, unser Geschlecht, unsere Erziehung, unsere gegenwärtigen Lebensumstände usw. Das am tiefsten Gehende, das die Weltanschauung eines Menschen prägt, ist sein Verständnis von Gott. Was ein Mensch über Gott denkt, bestimmt seine Auffassung darüber, wo er herkommt, welchen Sinn das Leben hat oder was nach dem Sterben geschieht. Deshalb ist unsere Weltanschauung, unsere Lebensperspektive, im Wesentlichen von unserem Denken über Gott bestimmt. Wenn wir uns über Theologie unterhalten, tun wir nichts anderes, als darüber zu sprechen, was wir über Gott denken. Was wir im Innern über Gott glauben und wie wir meinen, vor Ihm leben zu sollen, das ist unsere Theologie! Mit anderen Worten: Theologen sind nicht nur irgendwelche kluge, alte Herren an Universitäten oder kluge, tote Menschen auf Friedhöfen … auch du bist ein Theologe! Hör dir dazu einen bekannten Theologen unserer Zeit an, R.C. Sproul:
„Kein Christ kann Theologie vermeiden. Jeder Christ ist ein Theologe. Dies vielleicht nicht in einem technischen oder professionellen Sinne, aber dennoch ein Theologe. Die Frage, die sich für einen Christen stellt, ist nicht die, ob er ein Theologe ist oder nicht, sondern ob er ein guter Theologe ist – oder ein schlechter!“[1]
Was für ein Theologe bist du? Das ist nicht schwer herauszufinden. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, unsere Vorstellungen über das Leben, über die Ehe, über Gefühle, Konflikte usw. offenbaren sich durch unsere Worte und durch unser Verhalten – und spiegeln damit unvermeidlich unsere Ansicht über Gott wider. Das, was wir mit unseren Lippen reden, ist schlicht unsere Theologie. Welche Theologie findest du zum Beispiel in folgender Unterhaltung?
„Du frustrierst mich wirklich, wenn du das tust!“
„Ja nun, ich bin halt so! Ich kann nichts dafür, wenn mein Verhalten bei dir immer eine bestimmte Reaktion auslöst!“
„Meine Bedürfnisse sind dir wohl völlig egal, oder?“
„Deine Bedürfnisse? Wie steht’s denn mit meinen Bedürfnissen? Meine Gefühle scheinen in dieser Ehe wohl überhaupt keine Rolle zu spielen?“
Ein typisches Wortgefecht eines verheirateten Paares? Vielleicht. Aber es ist weit mehr als das. Solch einfache Aussagen, die jeder Verheiratete vielleicht denkt (auch wenn er sie nicht immer ausspricht), kommen aus Herzen, die bestimmte Annahmen darüber getroffen haben, wer wir sind, was wir brauchen, was wichtig ist und wie Gott zu diesem unserem Denksystem passt. In einer Unterhaltung wie dieser wird quasi die Theologie aus der Garage geholt und auf eine Spritztour mitgenommen.
Dieser Gedankengang ist für dich im Moment vielleicht nicht nachvollziehbar, aber ich gehe davon aus, dass er dir klarer werden wird, wenn du weiterliest. Ein guter, altbewährter Ehepartner-Theologe kann nämlich anhand dieser Unterhaltung sehr gut erkennen, wie hier Glaubensgrundsätze über Gott, uns selbst und unsere Probleme artikuliert werden. Wir finden sie zum Beispiel in Redewendungen wie „ich bin frustriert“, „ich kann nichts dafür“, „ich bin halt so“ oder „… und was ist mit meinen Bedürfnissen?“
Irre dich also bitte nicht. Wie Eheleute Tag für Tag und Jahr für Jahr ihre Ehe aufbauen, wird wesentlich durch ihre Theologie entschieden! Sie bestimmt ihr Denken, Reden und Handeln. Es ist auch bei dir nichts anderes als deine Theologie, die dein gesamtes Leben bestimmt und die auch festlegt, wie du deine Ehe führst.
Jeder Knopf ins richtige Knopfloch
Hast du schon mal ein Hemd oder eine Bluse falsch zugeknöpft? Du weißt schon, die Knöpfe in die verkehrten Knopflöcher, sodass man hinterher meint, ein Erstklässler hätte dich angezogen. Das ist mir erst kürzlich passiert; ich habe den ersten Knopf ins falsche Loch gesteckt und so weitergemacht, bis ich schlussendlich einen modischen Albtraum darstellte. Komisch war dabei, dass ich dachte, ich sehe großartig aus; vielleicht war da ja absichtlich ein Ersatzknopf unten angebracht, oder das Hemd war verkehrt genäht.
Augenblicke wie diese bringen meine Frau Kimm in eine schwierige Lage. ‚Soll ich ihn wieder zurechtmachen‘, überlegt sie, ‚oder den Kollegen im Büro einfach ihren Spaß lassen?‘ Dieses Mal war sie gnädig und korrigierte meine Knöpfe, und ich hatte einen korrekt geknöpften Tag.
Es ist erstaunlich, wie verdreht oder zerzaust man aussehen kann, wenn man diesen ersten Knopf nicht richtig geknöpft hat. Beginne etwas an verkehrter Stelle, und es gibt keine Möglichkeit mehr, es im weiteren Verlauf in Ordnung zu bringen. Den ersten Knopf richtig zu setzen, ist der Schlüssel dafür, auch alles andere richtig auf die Reihe zu bringen.
Ehe ist wie so ein Hemd. Setzt man die ersten Dinge richtig, dann fügen sich danach auch die anderen ‚Knöpfe‘ des Ehelebens – Kommunikation, Konfliktbewältigung, Gefühle, Arbeitsteilung – in einer Weise ein, dass sie gut zusammenwirken.
Der erste Knopf in einer Ehe? Richtig, das ist … Theologie! Aber wie sieht eine ‚korrekt geknöpfte‘ Theologie aus? Lasst uns dazu kurz drei der wichtigsten Bestandteile einer soliden, biblischen Theologie der Ehe anschauen.
Die Grundlage deiner Ehe – die Bibel
Um ein guter Theologe – und folglich auch ein guter Ehemann – zu sein, müssen wir Gott betrachten, wie Er wirklich ist. Und dazu brauchen wir die Bibel. Durch sie können wir ein klares Verständnis von Gottes Realität und von Seinem Wesen erlangen. In der Heiligen Schrift ist Gott wahrhaftig geoffenbart – Sein Charakter, Sein Tun, Sein Herz, Sein herrlicher Erlösungsplan. Mehr noch, wir begegnen in der Bibel Gott, wie Er sich in der Person Jesu Christi ultimativ gezeigt hat. Christus ist „die Wahrheit“ (Johannes 14,6). Ihn zu kennen, bedeutet, die Wahrheit zu kennen. Auf Wahrheit gegründete Ehen sind deshalb von Natur aus auf Christus gegründet.
Wir leben in einer Zeit, in der der Wert der Ehe offensichtlich der Beliebigkeit unterworfen ist. Ist dieser Wert von einer autoritativen Instanz losgelöst, wird die Ehe immer der Kultur folgen, egal, wohin die Kultur sich bewegt. Man weiß von eine Popdiva, die während einer Partynacht geheiratet hat, nur um am Morgen danach ihre Ehe wieder annullieren zu lassen. Für sie war Ehe lediglich ein Spaß für ein paar Stunden, vielleicht nicht viel anders als eine Shoppingtour am Nachmittag oder ein Besuch im Starbucks.[2] Einfach spontan genießen, man tut ja keinem dabei weh!
Dies ist der Grund dafür, warum die Bibel so wichtig ist. Sie als das Wort Gottes gibt der Ehe eine ewige und herrliche Bedeutung. Die Bibel beansprucht auch die Autorität darüber, was Ehe sein soll, und ist somit ihr bewertender Maßstab. Die Bibel ist deshalb auch der Schlüssel dafür, ob ein Paar in seiner Ehe Erfüllung findet oder nicht. Es ist eine unglaublich befreiende Erfahrung, zu erkennen, dass die Beständigkeit und die Qualität deiner Ehe letztendlich nicht von der Stärke deines Einsatzes für deine Ehe abhängt, sondern von etwas völlig anderem – nämlich von Gottes Wahrheit – von der Wahrheit, die wir klar und deutlich auf den Seiten der Bibel finden!
Ich kenne einen Ingenieur, dessen Arbeit für mich dermaßen kompliziert ist, dass ich noch nicht einmal den Versuch unternehme, sie zu verstehen. Es ist noch nicht lange her, dass er mir von einem Computerprogramm erzählte, dessen Handbuch man nicht ohne die persönliche Anleitung des Programmierers verstehen konnte. Ingenieure aus der ganzen Welt flogen zu ihm und ließen sich in Seminaren sein Handbuch erklären. Der Gedanke dahinter war einfach der: Er schuf das Programm, er schrieb das Handbuch dafür und war deshalb auch die entsprechende Autorität auf diesem Gebiet. So sollten wir es jetzt auch auf dem Gebiet unserer Ehe machen! Das macht in meinen Augen viel Sinn!
Gott schuf das Ehe-„Programm“, schrieb ein „Handbuch“ dazu und erklärt dieses auch. Er ist die einzige, verlässliche und vertrauenswürdige Autorität zum Thema Ehe. Als ihr „Erfinder“ – und dazu vergleiche man die beiden ersten Kapitel des 1. Mosebuches – weiß Er, wie sie funktioniert und wie man sie fitmachen kann. Als Herr hat Er alles gegeben, was wir zum Leben, zur Gottesfurcht – und auch zur Ehe – benötigen. In Seinem Wort.
Die Bibel ist das Fundament für eine gelingende Ehe.
Die Quelle deiner Ehe – das Evangelium
Wollen wir mit der Bibel als Grundlage der Ehe leben, dann gilt es auch sicherzustellen, ob wir Klarheit darüber haben, worum es in ihr geht. Hier kommt deshalb ein kurzer Überblick über die biblische Perspektive.
Wir sehen in den beiden ersten Kapiteln des 1. Mosebuches, wie Gott Mann und Frau in Abhängigkeit von Ihm und zu Seiner Verherrlichung schuf. Doch nur drei Kapitel weiter stellen wir fest, dass sie sich von ihrem Schöpfer abgewandt haben – und Sünde auf den Plan trat. Als direktes Ergebnis daraus verloren sie ihre außergewöhnliche persönliche Beziehung zu Gott – ein Bruch, der auch Auswirkungen auf jede Person, die nach ihnen lebte, haben sollte. Viele, viele Seiten später, am Ende der Bibel, dem Buch der Offenbarung, sehen wir, wie Gott diese von Adam und Eva verlorene Beziehung vollständig wiederhergestellt und für Sein Volk eine neue Erde und einen neuen Himmel geschaffen hat.
Da stand früh am Anfang der Menschheitsgeschichte also eine zerbrochene Beziehung, zerbrochen durch Sünde. Dann aber, weil die Sünde entfernt wurde, finden wir an einem Punkt in der Zukunft eine wiederhergestellte Beziehung. Das ergibt ein klares Bild. Was aber passiert dann in den 64 Büchern dazwischen? Das Evangelium ‚passiert‘! Gott sandte Seinen Sohn als Antwort auf unser Dilemma der Sünde und nicht nur als Beispiel moralischen Gutseins oder um uns eine bestimmte Lebensweise beizubringen. Er nahm das Urteil, das uns wegen unserer Sünde getroffen hatte (vgl. 1. Mose 3), auf sich, damit wir wieder in einer intakten Beziehung zu Gott leben könnten – auf ewig!
Das Evangelium ist das Herzstück der Bibel. Alles in ihr ist entweder Vorbereitung auf das Evangelium, Darlegung des Evangeliums oder Teilhabe am Evangelium. Im Leben, Sterben und Auferstehen Christi gibt uns das Evangelium eine ultimative Lösung für unsere Sünde – für heute, für morgen, für den Tag, an dem wir vor Gott stehen, für immer.
Die Herrlichkeit des Evangeliums ist unübertrefflich. Deshalb werden wir die Ewigkeit mit Staunen darüber verbringen, wie der Heilige Gott Seinen einzigen Sohn „zerschlagen“ konnte (Jesaja 53,5), um sündige Menschen zu erretten. Das Evangelium erklärt unser offensichtlichstes und grundlegendes Problem – Sünde, die uns von Gott und voneinander getrennt hat. Deshalb sind wir letztlich Ziel des Zornes Gottes. Ein Christ versteht die Notwendigkeit des Kreuzes: Unsere Sünde war so schlecht, dass es des Blutvergießens bedurfte, um sie wegzunehmen – des Blutes Gottes! Ohne das Kreuz sind wir im Krieg mit Gott und Er mit uns!
Das Evangelium ist deshalb die Grundlage aller theologischen Wahrheit und ist die alles umspannende Realität, welche allen anderen Realitäten erst Sinn verleiht. Begehe niemals den Fehler, zu glauben, das Evangelium sei nur zur Evangelisation und Bekehrung gut. Im Evangelium verstehen wir, dass wir Sünder bleiben, obwohl wir gerettet sind. Durch das Evangelium empfangen wir Kraft, um der Sünde zu widerstehen. Das Evangelium genau zu begreifen und es fortwährend auf unser Leben anzuwenden, das bedeutet christliches Leben.
Das heißt, das Evangelium ist ein nicht endender Quell der Gnade Gottes für unsere Ehe. Man muss also dringend ein klares Verständnis des Evangeliums haben, nicht nur, um ein guter Theologe zu werden, sondern auch, um in der Lage zu sein, sich auf eine lebenslange, blühende Ehe zu freuen. Sonst kannst du weder Gott noch dich selbst noch deine Ehe als das sehen, was sie wirklich sind.
Das Evangelium ist der Quellort einer blühenden Ehe.
Der Focus deiner Ehe – die Ehre Gottes
Wenn wir damit beginnen, unsere Ehen an biblischer Wahrheit zu orientieren, werden wir etwas Erstaunliches sehen: Die Ehe wurde nicht nur von Gott erfunden, sie gehört Ihm auch. Er hat einen einzigartigen Anspruch auf ihr Urheberrecht, ihre Idee und ihre Zielsetzung. Sie existiert faktisch sogar mehr für Ihn als für die Ehepaare selbst.
Ja, in der Ehe geht es nicht zuerst um mich oder meinen Partner. Ganz offensichtlich gehören zu einer Ehe Mann und Frau, aber sie sind darin sekundär; Gott ist die wichtigste Person in einer Ehe! Sie ist ganz gewiss zu unserem Guten da, aber zuerst ist sie zur Ehre Gottes da.
Diese Tatsache mag dir seltsam, überraschend oder schwer annehmbar erscheinen, und doch stellt sie eine wesentliche Wahrheit für jedes verheiratete christliche Paar dar. Ein Traugottesdienst kann einer Hochzeit einen religiösen Rahmen geben, aber es bedarf einer täglichen Umsetzung in die Tat, um Gott wirklich die Autorität über die Ehe einzuräumen. In meiner pastoralen Arbeit habe ich oft das traurige Ergebnis des Versagens gesehen – des Versagens, Gott nicht zu geben, was Ihm gehört!
- Viele junge Paare stürzen Hals über Kopf in die Verliebtheit und ignorieren dabei die Weisheit derer, die ihnen am nächsten stehen. Sie sehen die Legitimation für ihre Ehe in ihrer leidenschaftlichen Liebe und meinen, dass das als Begründung genügt. Sie sehen aber nicht, dass die Ehe zuerst Gott gehört.
- Dann gibt es auch verheiratete Christen, die ihre biblisch zugewiesenen Rollen und ehelichen Verantwortungen aufgeben und einfach danach verfahren, „was funktioniert“. Aber auch das bedeutet, sich mit weitaus weniger zufriedenzugeben, als Gott vorgesehen hat. Denn auch sie sehen Ehe nicht als zuerst Gott gehörend an.
- Am tragischsten sind aber christliche Familien, die durch Scheidung auseinander gerissen wurden, weil beide Partner der Meinung waren, dass persönliche Bedürfnisse wichtiger sind als das, was Gott zusammengefügt hat. Auch sie sehen Ehe nicht als zuerst Gott gehörend an.
Der Apostel Paulus verwendet den Großteil des fünften Kapitels des Briefes an die Epheser dazu, zu verheirateten Menschen zu sprechen. Nachdem er in den Kapiteln zuvor dargelegt hat, was Christus für sie als Einzelne getan hat, ruft er nun Ehemänner und Ehefrauen dazu auf, in einer Art und Weise zu leben, die der Würde ihrer Berufung als Christen entspricht (Epheser 4,1). Kapitel 5 ist angefüllt mit sehr spezifischen Anweisungen, um blühende Ehen zu bauen. Das hervorstechendste Merkmal der Argumentationsweise des Paulus ist die Tatsache, dass er Christus als Bezugspunkt all unseres Verhaltens in der Ehe ansieht!
Ehefrauen sollen sich ihren Männern „als dem Herrn“ unterordnen (V. 22). Ehemänner sollen ihre Frauen lieben, „wie Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (V. 25). Ehemänner sollen ihre Frauen pflegen und wertschätzen „wie auch Christus die Gemeinde“ (V. 29). Wir sehen, dass jedes Mal wesentlich mehr hinter den Worten des Paulus steckt, als dass wir nur nett zu unserem Partner sein sollen. Der Apostel bringt vielmehr ein gewaltiges, noch verborgenes Drama ins Spiel.
Denn in Vers 32 lesen wir: „Dieses Geheimnis ist groß, ich aber deute es auf Christus und die Gemeinde.“ Der Ausleger George Knight liefert hierzu folgende hilfreiche Einsicht:
„Den Menschen in den Tagen Moses unbekannt (es war ein ‚Geheimnis‘), war die Ehe von Gott von Anfang an dazu entworfen, ein Bild oder ein Gleichnis für die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde zu sein. Als Gott damals den Entwurf einer Ehe ausgestaltete, plante er sie zu einem erhabenen Zweck: sie sollte ein wunderschönes irdisches Bild von der Beziehung darstellen, die eines Tages zwischen Christus und seiner Gemeinde sichtbar würde. Das war den Menschen über viele Generationen unbekannt, und genau das ist es, was Paulus ein ‚Geheimnis‘ nennen kann. Doch jetzt im Zeitalter des Neuen Testaments lüftet Paulus dieses Geheimnis, und es ist phantastisch.
Das bedeutet, wenn Paulus den Ephesern von der Ehe erzählen wollte, hat er nicht nur nach einem passenden Vergleich gesucht und plötzlich gedacht, dass ‚Christus und die Gemeinde‘ eine gute Lehre und Illustration sein könnte. Nein, es war viel fundamentaler als das: Paulus erkannte, dass Gott, als er ursprünglich die Ehe entwarf, bereits Christus und die Gemeinde im Sinn hatte. Dies ist eine der großartigen Begründungen Gottes für die Ehe: sie soll die Beziehung zwischen Christus und seinem erlösten Volk für immer darstellen!“[3]
Ich glaube, dieses Verständnis von Ehe ist äußerst grundlegend. Gott hat sie mitten in diese Welt – auch in deine und meine Welt – zu einer Erinnerung und zu einem lebendigen Gleichnis gesetzt, das die Beziehung Christi zu Seiner Gemeinde abbilden soll.
Die Monate der Vorbereitung für die Hochzeit, der große Tag selbst, die denkwürdigen Flitterwochen – sie sind gewiss alle wichtig, aber es geht um etwas Wichtigeres als ein schönes Hochzeitsalbum. Wenn ein Mann und eine Frau in einer Ehe zusammengefügt werden, dann wird ein neues und lebenslanges Modell der Beziehung zwischen Christus und Seiner Gemeinde auf den Weg gebracht.
Es ist sehr einfach, sich so zu verhalten, als ob Mann und Frau die beiden einzigen relevanten Parteien in einer Ehe seien. Aber in der Ehe geht es letztlich um Gott. Mehr noch, die Ehe ist nicht nur deshalb phantastisch, weil sie Menschen Freude bringt oder ein förderndes Umfeld für Kinder darstellt oder die Gesellschaft stabilisiert (obwohl sie all das tatsächlich tut). Die Ehe ist ehrfurchtgebietend, weil Gott sie entworfen hat, um Seine Herrlichkeit aufzuzeigen.
Der Fokus einer gelingenden Ehe ist die Ehre Gottes.
Ehe ist „eine Theologie des Alltags“
Gut, wir haben damit begonnen, eine klare, genaue, biblische Theologie der Ehe zu entwickeln. Wenn aber deine Ehe der meinen auch nur in etwa ähnelt, dann geht es bei euch beiden gewiss nicht immer nur theologisch zu, so als befändet ihr euch in einer Art Elfenbeinturm tiefgründiger Gedanken. Nein, wir sind ‚Alltagstheologen‘, die versuchen, ihren Glauben in einer Welt anzuwenden, in der Paare miteinander wüten und streiten und sogar Türen zuknallen.
Und dennoch muss ich jetzt mit dem Evangelium kommen – Christus kam in diese Welt, um Sünder zu erretten – und mitten in deinen Alltag hinein die komische Frage stellen: Sündigst du noch? Sündigt dein Ehepartner noch? Lass es mich dir leichtmachen!
Jungs, die bezaubernde Braut, an deren Finger ihr den Ehering stecktet, ist eine Sünderin! Und ihr lieben Frauen, der Mann, der euch einen Schwur vollkommener Treue und lebenslanger Opferbereitschaft darbrachte, ist ein Sünder! In Eheversprechen auf der ganzen Welt – jeden Tag, überall, ohne Ausnahme – sind es Sünder, die zueinander „Ja“ sagen. Es sind Sünder, die ihren zehnten Hochzeitstag feiern, ihren fünfundzwanzigsten und ihren fünfzigsten. Es sind Sünder, die am Sterbebett ihres Ehepartners einen letzten Kuss miteinander teilen. Es ist ein Sünder, der dieses Buch schrieb, und der, der es gerade liest, ist auch ein Sünder.
Die Auseinandersetzung mit Sünde, die aufrichtige Christen täglich erleben, unterstreicht die Tatsache, dass Christus uns sehr wohl gerettet hat, uns aber nicht sofort und vollständig in Nicht-Sünder verwandelt. Dieser wunderbare Prozess beginnt mit dem Moment unserer Bekehrung, jedoch setzt er sich unser ganzes Leben hindurch fort und wird erst beendet sein, wenn wir diese gefallene Welt verlassen.
Das ist der Grund, weshalb ich hier im ersten Kapitel – und selbst im Titel dieses Buches – versucht habe, die Realität der Sünde zu betonen und herauszustellen. Ja, Gott verändert uns Sünder. Aber es ist ein Prozess. Und dieser Prozess der Veränderung weist auf ein herrliches Ziel hin, mehr und mehr Gottes Sohn, unserem Retter, ähnlich zu werden. Damit wir aber mehr wie Christus werden können, müssen wir die Tatsache zugeben, dass wir Sünder sind, denen zwar vergeben ist, die aber immer noch mit dem alten Antrieb kämpfen, sich von Gott ab- und sich selbst zuzuwenden.
Ohne diese biblische Klarheit finden wir keinen Bezug zum Kreuz und kein bleibendes Bewusstsein für unser Bedürfnis nach Gnade und Barmherzigkeit. Ohne die klare Sichtweise, dass wir Sünder sind, wird schon der Ansatz dessen, was es bedeutet, Gott zu kennen, tiefgehend geschwächt. Cornelius Plantinga bemerkte dazu: „Die nüchterne Wahrheit ist die, dass ohne eine vollständige Enthüllung dessen, was Sünde ist, das Evangelium der Gnade bedeutungslos, überflüssig und schließlich auch uninteressant wird.“[4] Ohne eine tiefgreifende Aufklärung über unsere eigene Sündhaftigkeit wird uns unser Selbstvertrauen zu dem Versuch nötigen, unsere Ehe aus eigener Kraft heraus gelingen zu lassen. Was wir aber auch immer aus eigener Kraft versuchen, hat sein Ziel letztlich nicht in der Verherrlichung Gottes und bezieht sein Leben auch nicht aus der Quelle des Evangeliums.
Wenn deine Flitterwochen eine weit zurückliegende Erinnerung sind und deine Ehe ihren Zündfunken und das anfängliche Feuer verloren hat und du deinen „Schatz“ immer seltener mit Koseworten bedenkst, was ist die wirkliche Ursache dafür? Mit anderen Worten: Warum ist es in eurer Ehe so kühl geworden? Vielleicht solltest du die Vorstellung aufgeben, die Probleme und Schwierigkeiten in eurer Ehe gäbe es nur wegen fehlender Gemeinsamkeiten, zu geringer Kommunikation und zu vielen negativen Umständen. Was wäre, wenn du deine Eheprobleme als das betrachten würdest, was sie wirklich sind – verursacht durch einen Krieg in deinem eigenen Herzen?
Solltest du dieses Buch gerade inmitten glücklicher Flitterwochen lesen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, sich zu deinem „Schatzi-Hase-Mausebärchen“ hinüberzulehnen und ihm oder ihr leise ins Ohr zu flüstern: „Ich bin ein großer Sünder – und als ein solcher gehöre ich dir ein ganzes Leben lang.“
Das ist praktische Theologie im Ehe-Alltag.
Wenn Sünde nicht bitter ist, wird Christus nicht süß
In diesem Buch versuche ich dich davon zu überzeugen, dass unser Umgang mit dem Problem der Sünde der Schlüssel zu einer blühenden Ehe ist. Denn wenn wir unserer Sünde mit dem Evangelium begegnen, dann gibt es Hoffung für uns und unsere Ehe. Schlechte Nachricht führt so zu guter Nachricht. Und genau das ist die Zielsetzung der Bibel.
Der bekannte Pastor, den ich im Vorwort erwähnte, hieß Thomas Watson. Erinnerst du dich noch an seine Worte? „Solange die Sünde für uns nicht bitter ist, wird Christus für uns nicht süß sein.“ Er meint damit, dass wir die Errettung nicht wirklich ausreichend würdigen können, bevor wir nicht die volle Tragweite des Problems begreifen. Entspricht dies nicht auch deinen Erfahrungen? Hast du nicht auch schon festgestellt, dass du umso schneller beim Retter Zuflucht nimmst, je deutlicher dir die Schwere der Sünde bewusst wird?
Es ist nicht einfach, seine eigene Sünde als Wurzel der Probleme in unseren Ehen zu sehen, und diese Sichtweise kommt schon gar nicht von alleine. Die Sünde, die in meinem und deinem Herzen noch vorhanden ist, widersteht Gott und Seiner Wahrheit. Sie verhindert unsere Freude und unsere Heiligkeit. Sie verfinstert Ehen, die eigentlich blühen und Zeugnis ablegen sollten für Gottes Barmherzigkeit und Güte.
Wenn wir aber damit beginnen, unsere Ehen auf dem Wort Gottes und dem Evangelium des Sieges Christi über die Macht der Sünde aufzubauen, dann erkennen wir die traurige, schmerzhafte und nicht zu verleugnende Realität unserer eigenen noch vorhandenen Sünde. Und wenn wir sie wirklich als die bittere und verachtenswerte Sache betrachten, die sie ja tatsächlich ist, und wenn wir die heimtückischen Absichten der Sünde in unseren Beziehungsproblemen erkennen, dann wird etwas Wunderbares geschehen: Dann flüchten wir nämlich zum Evangelium als unserem einzigen Gegenmittel!
Dann beginnen wir zu sehen, dass es neue Hoffnung für unsere Ehen gibt – viel Hoffnung! Hoffnung, die sich aus der Kraft des Evangeliums nährt – derselben Kraft, die Christus aus den Toten auferweckte. Wir bekommen dann eine Vorahnung davon, was für eine angenehme Beziehung unsere Ehe werden kann – eine lebendige und blühende Einheit, in welcher Sünden bekannt und vergeben werden. Meine Freunde, wenn Sünde bitter schmeckt, wird Christus süß sein.
Genauso wie jener alte Mann die schöne Hochzeitsfeier unterbrochen hat, so sind viele von uns durch Ehen gebrochen worden, die angenehm begannen, aber nicht so geblieben sind. Jedes „Ja, ich will“ trägt doch die tiefe Sehnsucht in sich, dass die anfangs so leidenschaftliche Liebe auch andauern wird. Aber wie können wir uns dessen sicher sein? Wie können wir wissen, dass unsere Ehen nicht einfach nur bestehen bleiben, sondern sich entwickeln, wachsen und im Laufe der Zeit immer beglückender werden?
Was wir uns wirklich wünschen, ist doch eine Ehe, die gedeiht, die immer heller und beständiger leuchtet, die sich so anfühlt und so aussieht, wie wir uns das am Anfang auch vorgestellt hatten, ja vielleicht sogar mehr noch als das. Ich schreibe dieses Buch, um Ehen genau dazu zu verhelfen, sodass sie ein Leben lang erfreulich sind und dadurch Gott verherrlichen. Ich hoffe, dass dies auch der Grund ist, warum du es liest!
- ↑ R.C. Sproul. Knowing Scripture. IVP: Downers Grove, IL, 1978. S. 22.
- ↑ Große amerikanische Kette von Cafés (Anm. der dt. Hrsg.).
- ↑ George W. Knight III. „Ehemänner und Ehefrauen – eine Parallele zu Christus und der Gemeinde Epheser 5,21-33 und Kolosser 3,18-19“. = Kapitel 8 in: John Piper, Wayne Grudem (Hrsg.). Die Rolle von Mann und Frau in der Bibel. 3L Verlag: Friedberg, 2008. (Originaltitel: Recovering Biblical Manhood and Womanhood: A Response to Evangelical Feminism. Crossway Books: Wheaton, IL, 1991). S. 203-219, hier S. 216.
- ↑ Cornelius Plantinga. Not the Way It’s Supposed to Be: A Breviary of Sin. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, MI, 1995. S. 199.